Architexxt



LEGENDE I


In Persien lebte vor Zeiten ein Magier. Er war noch jung, ungestüm, doch war er Schüler de weisesten Lehrer seiner Zeit gewesen und wurde von diesen geliebt und geachtet. Ernst war er, von tiefem Gemüt, doch war er innerlich feurig und bereit, sich für den Sieg des Lichtes einzusetzen. Den dem Feuer fühlte er sich verwandt, ihm fühlte er sich verpflichtet; er dachte dabei oft an eine Überlieferung, die er von einem seiner Lehrer erzählt bekommen hatte: Einst sei ein Urfeuer gewesen, ein Zentrum reiner Flammen, ein Herd lichter Liebe, und ausser ihm sei nichts gewesen, weder Nichts noch Etwas. Doch dann begann eine erste Scheidung; und gab es Anfangs Unterscheidungen zwischen Wärme und Wärme, zwischen Licht und Licht, gab es schließlich den Unterschied zwischen Wärme und Nicht-Wärme und zwischen Licht und Finsternis. Ein Gestaltspiel begann, ein Grenzenziehen und Grenzen erhalten, ein Verwandeln, Löse, Verbinden, Trennen, ein Tanz der Schatten und des Lichtes, des Feuers und seiner Formen im Wind. Die Flammen wurden geboren und begannen zu zerstieben und um das Zentralfeuer einen Umkreis zu schaffen. Dabei wurden manche kleinere Flammen schwächer und geringer, kühlte wie ein glühender Metalltropfen von aussen nach innen ab, wurde dabei äusserlich und flüssig, ja sogar fest: Die Welt war entstanden, die Dinge waren entstanden.

Flammen Doch jedes Ding war tief im Innern immer noch Flamme, war Funke geblieben - und, so sagte der Lehrer, unser ganzer Unterricht besteht in dem, diese Flamme im Innern der Dinge sehen und kennen zu lernen.
Der jung Magier hatte diese Kunst gelern. Er konnte sich mit dem Feuer, welches in den Dingen verborgen war verbinden. So erkannte er alle Dinge und Wesen und sein eigene Flamme sprach mit der des Baumes, mit der des Falken, mit der des Jaspis oder Lapislazulis. Und voller Ehrfurcht erwartete er jeden Morgen den Aufgang des einen großen Feuers, das allen sichtbar das Innerste in diesem Aussen zeigte.

SonnenaufgangDas war wichtig, denn es gab viele Menschen um ihn, die keine Magier waren, die nicht den verborgenen Funken erkennen konnten, und die deswegen auf dieses Zeichen allein angewiesen waren. ja, die meisten Menschen waren keine Magier. Und das war etwas, was den jungen Magier bekümmerte und ihn ernst stimmte. Denn das hieß auch, dass sie keinen Zugang zu der Flamme in ihnen selbst mehr hatten, dass sie von sich selbst abgeschnitten waren unde nur der schon erstarrten Welt angehörten.

Doch noch ernster wurde er, als er feststellen musste, dass diese erstarrte Welt überall wo er hinsah dabei war, überhand zu nehmen, die einzige Realität zu werden. Konnte es denn sein, dass die Flammen erloschen? Es schien so. Bei den Menschen fing es an; aber die Menschen verdunkelten auch die Dinge, mit denen sie umgingen. Etwas ungeheuerliches, etwas furchtbares konnte offensichtlich geschehen: Auch in der Natur erlosch das Feuer, das innere Licht. Zuerst bei den Tieren, dann bei den Pflanzen, zuletzt wohl auch bei den Steinen und den Götterbergen. Er war verzweifelt, als er bewmerkte, wie schwach schon überall die Flamme war, wie gering die Glut. Und erschüttert, als er dasselbe von dem Licht der Lichter, der Flamme der Flamme feststellen musste: Auch die Sonne sollte wohl eines Tages gänzlich äusserlich sein und wo war dann noch das Feuer zu finden?
In seiner Verzweiflung suchte er seine Lehrer auf, er hoffte, sie würden ihn beruhigen können, sie würden ihm vielleicht erklären, dass nur er selbst krank sei, dass sine Fähigkeit als Magier am rlöschen sei und nicht die Kraft des Feuers (und doch wusste er es, für sich selbst, besser).

FrageAber diese Hoffnung wurde enttäuscht. Auch die Lehrer wussten davon, auch sie spürten die Veränderung. Sie erzählten ihm, dass schon die Lehrer ihrer Lehrer das allmähliche Geringerwerden des Feuers hatten erfahren müssen. "Wie mächtig und stark war es noch vor unserer Zeit", riefen sie, "immer kräftigere Anstrengungen müssen wir Magier machen, um es zu erreichen. Und immer weniger Menschen gibt es, die diese Kraft überhaupt aufbringen können. Am Beginn der Zeiten war jeder Mensch Magier. Und jetzt sind wir die einzigen. Und du bist unser letzter wahrer Schüler."
Als er das hörte, war sein Kummer so groß, dass er ihn nicht mehr ertragen konnte und er besinnungslos wurde.

HöhleWieder erwacht, lag er in der Höhle der weisen Männer und warallein. Er wusste nicht, wie lange er so gelegen hatte. Auch wollte er nicht aufstehen. Auch wollte er nicht liegenbleiben. Er wollte dem Feuer dienen und wusste nicht wie.
Dann hörte er Schritte, doch er rührte sich nicht. Er rührte sich auch nicht, als eine ihm unbekannte Stimme sagte: "Stehe' auf, ich will dir eine Geschichte erzählen." Jemand berührte ihn. "Wach' auf, steh' auf!" Eine alte Frau stand vor ihm. "Steh' auf, ich will dir eine Geschichte erzählen", wiederholte sie. Er richtete sich auf, sie stzte sich neben ihn und begann:
"Nachdem der Regen das weite Land befruchtet hatte, als alles grünte und blühte, freute sich jedermann. Doch der Boden dürstete bald wieder nach Wasser und die Pflanzen begannen zu welken, die Tiere kraftlos zu werden. Wohin war das Wasser gegangen? Niemand wusste es. Würde es wieder regnen? keine Wolke zeigte sich am Himmel.


HöhleDa ging jemand fort und fing die Suche an. Irgendwo musste sich doch all das Wasser gesammelt haben, das in den Boden eingedrungen war, irgendwo musste der Ort sein, an dem die Quelle zu finden war.





















Und wirklich fand er die Quelle, wirklich hatte sich das Wasser , das überall verstreut versickert war, in einer tiefen Kluft gesammelt und spiegelte ihm das Sternenlicht wider als er hinunterschaute. Jetzt konnte er schöpfen und austeilen, erquicken und bewässern. Seitdem welkt kein Blatt mehr, dürstet kein Wesen, ob Tier oder Mensch, dem nicht durch seine Hände geholfen werden kann.

"Ja", rief der junge Magier, nachdem die Alte schwieg,"ich verstehe, was du mir sagen willst. Das zerstreute, versprühte Feuer will sich wieder sammeln, die verstreuten Flämmchen kehren wieder heim, ein neues Zentralfeuer will sich bilden; aber wo, an welchem Ort, und ist er für mich erreichbar?"
"Dies ist deine Suche", sagte die Alte,"du bist der Magier, nicht ich, ich habe es mehr mit dem Wasser, wie du vielleicht gemerkt hast. Doch kann ich dir sagen, was ich wei?: auf dieser Erde wird jemand geboren werden, der alles Feuer in sich zusammenfasst,an dem jedes Wesen neu entflammen kann. Ihn musst du suchen".
"Das will ich", rief der Magier, wieder ungeduldig und jung wie zuvor, "diesen König der Könige will ich aufsuchen und ihm dienen!"


Aber wie besonnen klar und gleichzeitig verwundert scheu war er, als er nach langer, mühseliger Wanderung an dem Bettchen eines kleinen Kindes stand, ein Kind, welches das Feuer der ganzen Welt in sich aufnehmen sollte, ein Kind, das für den Magier leuchtender als die Sonne war und doch für uns andere Menschen nur ein neugeborenes Kind einfacher Leute.

Gefunden