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GNOSIS PROJEKT: TRIPTYCHON

I. Woanderswelt: Präludium und Fuge in Moll
II. Gnosisroman: Helena
III. Gnosisroman: Der Weg des Alchemisten

TRIPTYCHON, ein Roman in drei Erzählungen, handelt davon, wie wir unsere Realität konstruieren: Was in den Fokus gerät und was am Rande der Wahrnehmung bleibt - handelt über Weltbilder also. Er spielt mit dem Material, das ihm die historisch aufgetretene Magie, Alchemie, Gnosis, die modernen Adepten und selbstermächtigten Eingeweihte in die Hand geben. Der Erzählweg ist dabei in drei unterschiedliche Handlungsstränge aufgeteilt - aufeinander bezogen, aber ebenso als drei verschiedene Geschichten lesbar.

Der erste Teil, Woanderswelt: Präludium und Fuge in Moll, thematisiert eine Alternativwelt, in der gnosisgeprägte Religionen bestimmend geblieben, Christentum und Islam nicht wie gewohnt aufgetreten sind, und macht dies zum Szenarium der Erzählung. Es wird die Situation eines Einzelgängers skizziert, der durch Zufall (der Nachbarschaft) in Berührung mit einem Kreis von Verschwörern kommt, die dabei sind, ihre und damit seine Welt radikal zu verändern. Sie wollen eine vollständige Umwandlung der Welt im Sinne ihrer gnostischen Überzeugungen erreichen - diese soll als die des Demiurgen entlarvt werden, als trostlose Hölle, ohne Möglichkeit, sich darin behaglich einzurichten. Dazu sollen, mit Hilfe einer Umwandlungsmaschine, die Schlüsselparameter der Vergangenheit verändert werden, um so die Gegenwart zu ändern. Ihr Ziel ist es, die Historie derart umzuschreiben, dass eine Welt entsteht, die ungefähr unserer nichtfiktionalen Realität entspricht.
Das eigentliche Thema dieses Erzählstranges ist aber nicht die Ausmalung einer Fantasy-Welt, sondern die Irrfahrt des Erzählsubjekts, dem durch die Aktion der Verschwörer - den ständigen Verwandlungen der Umwelt - der Boden unter den Füßen weggezogen wird, der nicht weiß, ob er diese Umwandlungen real erlebt, oder ob er Falschmeldungen seiner Sinne, einer Fehlproduktion seines Gehirns ausgesetzt ist, ohne Möglichkeit, diese Frage zu beantworten. Am Ende fühlt er sich als Gespenst, das durch fremde Möglichkeitswelten geistert, in keiner der vorüber ziehenden Szenarien real, außer für sich selbst.

Als zweite Erzählebene, im Gnosisroman: Helena, wird die Geschichte eines Ich-Erzählers installiert, der als Vermieter in engeren Kontakt mit zweien seiner Mieter tritt, einem Maler und der Mitbewohnerin eines ihm unsympathischen Hauptmieters, der aber schon am Beginn aus dem Bild verschwindet. Der Ich-Erzähler erlebt diese Begegnungen als "junger Naiver" (obwohl nicht mehr ganz jung), der dadurch mit ihm ungewohnten Lebenswelten und Mentalitäten Bekanntschaft macht: Die junge Frau, Ellen, arbeitet im Escortbereich, der Maler führt ihn in seine Bilderwelten ein, die, in Anschluss an die frühen und mittleren Werke Pollocks, Sujets wie Schamanismus, Transformation, Alchemie usw. thematisieren. Die Haltung beider zeigt sich als Ausdruck eines impliziten und expliziten Gnostizismus: Als Ausfluss eines gnostischen Lebensgefühls, das noch immer virulent ist, transformiert in unsere Gegenwart. Eine Zeit lang besteht ein im freien Raum schwebendes Dreiecksverhältnis, eine Art Initiationszeit für den Erzähler, die abrupt zu Ende geht: Der Maler soll als Bilderfälscher verhaftet werden, taucht unter, Ellen zieht, in Folge dieses Geschehens, ihrem früheren Liebhaber hinterher, ihre Rolle als Helena eines neuen Simon Magus wieder aufnehmend. Der Ich-Erzähler beschließt, eine Novelle, an der er schon vorher halbherzig gearbeitet hatte, nun ernsthaft auszuführen: Die Geschichte des Alchemisten, des dritten Erzählstranges.

Gnosisroman: Der Weg des Alchemisten berichtet von einem burgundischen Arzt im 16. Jahrhundert, dessen Lebensweg ihn nach einer persönlichen Katastrophe (seine Frau wird als Hexe angeklagt und verurteilt, er selbst muss fliehen) über Piemont und Venedig schließlich nach Harran in Assyrien führt. Er ist dabei immer auf der Suche nach hermetischer Weisheit, verliert aber den idealistischen Glauben seiner Jugend an die Möglichkeit einer solcher Erkenntnis, um bei einer (vor-) rationalistischen Skepsis (nicht ganz) zu landen. Dieser Teil wird aus dem Blickwinkel des Arztes erzählt, d.h. sein Wissensstand ist der eines Menschen der frühen Neuzeit, noch vor der kopernikanischen Revolution oder dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaft, sein Weltbild ist das der Renaissance-Magierphilosophen vor Reformation und Gegenreformation und der großen Hexenverfolgung.

Das zugrunde liegende Thema, die Gnosis, wird in den drei Erzählebenen auf unterschiedliche Weise aufgegriffen. In der Alternativerzählung bildet sie den angenommenen kulturellen Hintergrund und auch den Treibsatz eines religiösen Fanatismuses, der, wie jeder Fundamentalismus, die eigene Überzeugungen nur als absolut gesetzt sehen kann und daraus die Legitimation zu jeder Art von Handlung ableitet.
In der eher an historischen Fakten ausgerichteten Alchemistenerzählung werden einige Motive der Gnosis als religiöse Vorstellungsbilder skizziert, die in der damaligen, sich auf Hermes berufenden Naturphilosophie und -magie, ebenso wie bei den Nachklängen der Katharer oder im Sufismus wieder auflebten.
In der Gegenwartserzählung geht es, unter diesem Gesichtspunkt, um die Auseinandersetzung mit Vorstellungen, die heute oft als bare Münze gehandelt werden und sich als noch immer virulente Muster gnostischen Denkens in zeitgenössischer Verkleidung zeigen.
In allen drei Geschichten wird nicht versucht, irgendeine Vorstellungswelt als "falsches Denken" zu entlarven. Es gibt unterschiedliche Positionen der einzelnen Personen, jede artikuliert ihre Sicht der Dinge und kommentiert die der anderen. Das, was alle verbindet, ist der Antrieb, ihren aktuellen Zustand zu verändern, ist das Ungenügen an dem, was sich von alleine anbietet, ist die Neigung, dieses Überschreiten der Dürftigkeitsgrenze in die Fülle irgendeines anderen Zustandes eher im Metaphysischen als durch Drogen oder im Materiellen zu suchen. Es soll offen bleiben, inwieweit irgendein Element dieser Vorstellungswelten "wahr" sein kann - offen bleibt auch die Lesart der Geschichten: Sie können als Erzählung von der Entstehung von Geschichten (der Alternativwelt, der Alchemistenerzählung) interpretiert werden, wie angedeutet wird, oder als untergründiger Zusammenhang dreier Erzählwege, die im mittleren (Gegenwartsroman) miteinander verknotet sind - als Gespenstergeschichte, Ahnung tieferer Verbundenheit, verstörende Inspirationsquelle. Auch kann der ganze Roman als Variation des Helenathemas (bei Simon Magus) gelesen werden, dem Ursprungsmythos der Gnosis also.

Anmerkung: Das ursprüngliche Konzept des Romans sah eine Verschränkung aller drei Erzählungen vor, Kapitel um Kapitel im Dreierschritt sich abwechselnd. Aus Gründen der Fokussierung auf einen durchlaufenden Erzählstrang (um den Leser nicht zu sehr zu strapazieren) wurde dieses Konzept von mir aufgegeben und drei für sich selbst stehende, aber dennoch als zusammengehörend zu lesende Geschichten daraus entwickelt. Was aber wieder einen anderen Nachteil mit sich brachte: Die Balance zwischen den reflektierenden und den die Erzählung vorantreibenden Abschnitten und Kapiteln ist nicht mehr so recht gegeben. Kurz gesagt: manchmal folgen zu viele gedankliche Passagen nacheinander (besonders in der Helenaerzählung), ohne Unterbrechung durch eine andere Erzählebene, die etwas Neues dazwischengeschoben hätte. Ich habe trotzdem diese Kapitel so belassen, erstens, weil der Aufwand, alles neu zu schreiben mir zu groß erschien, zweitens, weil die Idee zu dieser Site die eines Archivs ist. Dazu gehört auch ein eher dokumentierender Charakter des Ganzen. Holte ich die Geschichte wieder hervor, um sie vielleicht zu veröffentlichen, wäre natürlich eine dementsprechende Überarbeitung notwendig.

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