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GNOSISROMAN: HELENA


Inhalt:

Ruin + Ellen/Der Maler + Anfänge + Ellens Monolog + Pollok + Lernen + Zweifel + Entwicklung + Schreiben + Der Guru + Gedankenfallen + Helena + Argumentieren + Reflexionen + Dem Ende zu + Überzeugungen + Epilog



Reflexionen

Um sich mental offen zu halten, sollte man für jeden Sachverhalt, an den man glaubt oder genötigt wird zu glauben, nicht nur das Pro ausarbeiten, warum ich davon überzeugt bin, sondern auch das Kontra: warum ich unmöglich daran glauben kann. Warum so etwas schlechterdings nicht existieren kann (Wie es in Talmudschulen den Schülern beigebracht wird).
Natürlich wird man sich mit etwas, an das man nicht wirklich glaubt, nur als Spielmöglichkeit, schwer tun, wird man etwas, von dessen Existenz man nicht überzeugt ist, nur unzureichend vertreten können. Für Praktiker, die etwas Reelles in der Hand haben müssen, wollen sie damit etwas anfangen, ist dieses Verfahren aber auch nicht gedacht, sondern für an Erkenntnis selbst interessierte.
Ob sich jemals daraus ein System ewiger Wahrheiten entwickeln kann, wie es in allen traditionellen Wissensordnungen gesucht wird, ist fraglich. Aber wollen wir wirklich ewig feststehende Wahrheiten? Wollen wir uns nicht eher als lebendige Wahrheitssucher erleben, die im flüssigen Medium Merkurs schwimmen, des Gottes der Schrift und der Intelligenz, des Boten, Botschafters, Verkünders, der uns an der Hand nimmt und uns dorthin führt, wo es keine bekannten Wege mehr gibt?

Um beurteilen zu können, ob etwas heiße Luft und Wortgeklingel ist, oder eine Tiefe hat, die in meine eigenen Tiefen führt, muss man sich darauf einlassen - muss es prüfen, kosten, nachvollziehen - und damit sich dem Dilemma aussetzen, vor dem man dabei immer stehen wird: Lasse ich mich auf eine Verblendung ein, wird diese mich nicht mehr so bald verlassen, sie wird mein ganzes Seh- und Urteilsvermögen in Beschlag nehmen, wird mich in ihrem Sinn transformieren - und trotzdem nur eine Gehirnblase gewesen sein. Wie viel Lebenszeit will ich auf solche Weise verschwenden? Mit Versprechungen, die gar nicht eingelöst werden können, da ihre Erfüllung Unmögliches voraussetzt? Die aber gerade deswegen so anziehend sind, weil wir das Unmögliche suchen…

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Der Maler hatte einige Male von einem vierten Bewusstseinszustand gesprochen, den wir neben Traum, Klartraum, Wachbewusstsein haben könnten (und in diesem vierten Bewusstsein noch weitere, was mich aber nicht verwirren sollte, wie er meinte), und mich beschäftigte dieses Konzept.
Ich konnte akzeptieren, dass mein normales Denken nicht das einzig mögliche und letztgültige sein sollte, dass es ein Darüber hinaus gäbe - und auch schon von vielen vor uns erreicht und als Ziel geschildert worden ist. Auch wenn mir das aus Eigenerleben nicht prüfbar war, ich konnte es als Vorgabe annehmen, wollte es sogar. Hatte und habe jedoch einen Einwand (aus meinem Normalzustand heraus vorgebracht), den ich nicht einfach beiseitesetzen kann: Während des vierten Bewusstseinszustands ist mir das, was ich erlebe, in Überklarheit, in Eindeutigkeit gewiss (so verstand ich die Hinweise) - aber ich möchte, dass diese Gewissheit vor meinem Normalbewusstsein Bestand hat - ich nicht, wie in einem Traum, von einer Sache vollkommen überzeugt bin und sie dann, nach dem Aufwachen, nur noch als lächerlich oder banal abtun kann. Vor meinem alltäglichen Verstand, meiner Vernunft, meinem Denkvermögen muss das, was wahr ist, bestehen können - sonst ist es nichts und nur einem Traum und einer Illusion gleich. Einer fremden Welt, nicht meiner jetzigen, zuzuordnen.
Ich weiß, dass mein normales Bewusstsein wirr und ungenau und sprunghaft ist, eben nicht klar oder deutlich - deswegen muss ich mich ja an die Logik halten, als Krücke der Vernunft, um mich damit an der Realität entlang zu tasten. Ich weiß, dass sich die Evidenz, die ich in dem einen Bewusstseinszustand habe (im Traum oder im Wachen oder im vierten Zustand) nicht in einem verminderten Zustand nachvollziehen lässt - im Geringeren ist das Umfassendere nur unvollständig abbildbar - aber eben dieser Gedanke ist ein logischer Gedanke und leitet mich dennoch darüber hinaus.
Jeder Sufi- Meister sagt, auf das, was man aussprechen kann, kommt es nicht an - und trotzdem ist die Welt erfüllt von Sufi-Worten.
Der Maler sagt: Sie ist erfüllt von Sufi-Geschichten - und das ist nicht dasselbe.

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"Auch wenn wir noch so sehr ins Zentrum zielen, unsere Erkenntnis wird immer peripher, endlich, gegenüber dem Unendlich-Ganzen sein - alle Aspekte, die möglich sind, zusammengenommen, würden erst dieses eine Ganze ausmachen - oder eben auch nicht. Sie sind Aspekte, und das bedeutet: relative Standpunkte; und aus noch so vielem Unterschiedlichem wird kein Einheitliches entstehen - nicht, wenn nicht noch etwas anderes dazukommt.
Ist also unser eigener, individueller Zugang zu der Einheit des Ganzen eine Auswahl aus den unendlichen Möglichkeiten, aus der Fülle der Wege, charakterisiert er gleichzeitig uns und unseren Zugang: Der Standpunkt, den wir wählen macht uns aus. Wir sind eingeschränkt: Und sind in unserer Beschränkung individuell und einmalig. Jeder individuelle Zugang ist gleich weit von der zentralen Wahrheit entfernt, ist im Grunde gleichwertig, charakterisiert aber denjenigen, der ihn wählt. Du definierst dich selbst durch das, was du zulässt. Was du als Möglichkeit akzeptierst. Hältst du dich eng an das, was du Fakten nennst, bist du zwar genauso nahe oder entfernt von der Wahrheit wie wenn du deine Fantasie einsetzt, bist aber ein anderer Mensch als der Fantast.
Die mühselige Arbeit an den Fakten ist nicht näher an der Wahrheit als der Flug der Fantasie (aber auch nicht das Gegenteil) - der Unterschied macht aber Gedankenlastige oder Fabulierer, Nüchterne oder Berauschte, kalt-trockene Gemüter oder warm-feuchte (in der antiken Terminologie gesprochen) aus."

"Du musst verstehen, dass das, was du entwirfst, real ist, und das, was real ist, konstruiert. Der Guru, baut sich eine innere Welt, in der er als mächtiges Magierwesen über die Kräfteansammlungen, Energieballungen, autonome psychische Komplexe, die er erzeugt und vorfindet, herrscht und verfügen kann. Das nennt er Magie und glaubt daran, dass sich das ebenso im Äußeren, in der Alltagswelt widerspiegelt und wirkt. Dort Spuren hinterlässt.
Ich akzeptiere seine Welt, die er sich dadurch erschafft, als gültig - so wie jede andere mögliche Welt. Überrascht? Nur: mein Interesse ist ein anderes. Ich lebe in einer Welt, die ich Schritt für Schritt im (manchmal fiktiven, oft imaginären, immer offenen) Gespräch mit anderen entwickele, die vor mir diesen Weg der mentalen Erschaffung des Kosmos gegangen sind. Manches verwerfe ich, manches finde ich nebensächlich, uninteressant, aber mit der Grundüberzeugung der vielen, die sich dort schon vor mir aufgehalten haben, stimme ich überein.
Ibn Arabi sagte: Das Wissen führt zur Schau und die Schau bestätigt das Wissen. Man könnte auch sagen: Das Vorherwissen konfiguriert dass, worauf man trifft, wenn man in die Schau eintritt - die Schau bekräftigt die Überzeugung, die man mitbringt. Daher die kulturell bedingten Unterschiede in den Mitteilungen darüber. Aber die Schau ist soviel mehr als das Wissen darüber, was einen erwartet, wie sich ein klarsichtiger Zustand der Intuition von einem blind tastenden, schließenden Denken unterscheidet."

Dem Maler ging es um die Gemeinschaft der Suchenden, um die Kommunikation, Kommunion mit diesen. Das unsichtbare Kollegium, die Gemeinschaft der Wissenden, die Kette der Überlieferung - die dahinter stehenden Ideen. Eine Gemeinschaftssphäre von sich dem Geheimnis Öffnenden, Lernenden, die Teilnehmer an einem weltenweiten, zeitenübergreifenden Entwicklungsprojekt waren. Nicht, dass er erwartete, diese würden sich nach Art einer Verschwörung zusammenklügeln, Intrigen spinnen, Strategien ausarbeiten, Geheimtreffen organisieren. Das gehörte in die Ecke der Verschwörungstheoretiker, die schon immer wussten, wie die Welt läuft (nämlich durch finstere Mächte gelenkt) - er wollte nur in Sympathie und in Gedanken mit denjenigen zusammen sein, die wie er dachten. In allen Kulturen. Zu allen Zeiten. Im Bewusstsein mit dem Verbunden, was im Beginn der Moderne als ein neues Projekt gedacht worden war: der Menschheit; inzwischen ein ziemlich abgewrackter Begriff, wie alle, die in die Multiplikationsmaschine der Medien geraten.

"Der Guru ist nur an sich und an seiner Eigensphäre interessiert, die er sich auszubauen bemüht. Er bevölkert sie mit Gestalten, die er der von ihm bevorzugten Literatur entnimmt, macht damit seine eigene Erfahrungen und modifiziert sie dadurch. Wieweit er dann noch eine gemeinsame Mentalsphäre mit anderen Menschen teilt, ist ihm egal. Er ist sein eigener Herr. Denkt er.
Ich glaube auch, dass jeder potentiell seine eigene Welt in sich trägt. Möchte aber nicht auf die gemeinsamen Schnittmengenbereiche verzichten, die mich mit denen verbinden, die ich als Vorgänger, Vorausgeher akzeptiere. Als Furtbereiter, Wegbahner, Vormirdenker. Nicht, dass ich glaube, je mehr Leute dieselbe Meinung mit mir teilen, je wahrer sei diese Meinung, im Gegenteil. Aber ich glaube an das Gespräch, an die Kommunizierbarkeit dessen, was sich in mir, in dir, in einem Uns regt, wenn wir uns auf den Weg machen. Obwohl ich nicht daran glaube, dass das, was sich regt, auf irgendetwas Kommunizierbares reduziert werden kann. Das ewige Paradoxon.
Du glaubst, unterstelle ich, an demokratisch korrekt gleichwertige Psychonauten, monadische Weltengänger, die in Kommunikation untereinander eine gemeinsame Sicht auf die Dinge produzieren, weil sie auf diese Sinn-Gemeinschaftssphäre angewiesen sind. Und wehrst dich aus Gründen der Gerechtigkeit, auch aus Gründen der Wahrheitsfindungstechnik, gegen Monopole in diesem Bereich. Bist dafür, jedem das Recht auf seine eigene Wahrheit zuzugestehen. Auch, weil du an eine übergeordnete, zugrunde liegende, höhere, tiefere Wahrheit nicht glaubst, oder nicht daran, dass irgendjemand einen speziellen Zugang dazu gefunden hat, finden kann, finden wird. Ich dagegen kann akzeptieren, dass es Menschen gibt, die weiter als ich gekommen sind, die tiefer vorgestoßen sind als ich. Die mir etwas bisher Ungeahntes offenbaren können.

- Natürlich forderst du nicht von dir selbst, dass du ein Programm schreiben kannst, um einen Computer bedienen zu können - du nimmst ohne weiteres hin, dass du Benutzer bist, ohne alle Hintergründe zu durchschauen. Du vertraust der Technik (na ja, mehr oder weniger…). Du nimmst hin, dass es Menschen gibt, Software-Entwickler, die Fähigkeiten haben, die über deine hinausgehen, und dass das, was sie dir geben, ohne Vorbehalt von dir akzeptiert und angewendet werden kann. In allen technischen und wissenschaftlichen Bereichen hältst du es so. Du glaubst diesen Menschen einfach.
Und warum? Weil der Beweis ihrer Fähigkeit vor dir auf dem Tisch liegt, vor deinen Augen, von dir benutzt werden kann. Warum nicht auch auf einem anderen Gebiet? Das, was dir zugänglich ist, kannst du beurteilen. Was dir noch nicht begreifbar ist, magst du als vorläufig akzeptieren. Nutze das, was dir erzählt wird. Mache es zu etwas Wirkendem in deinem Leben. Gib ihm die Chance, sich zu beweisen.

- Du denkst: wenn schon neue Wege, dann ungebahnte Pfade. Selbstgeschlagene Schneisen durch den Dschungel, den Wildwuchs. Fühlst dich durch ausgetretene, breite Strassen in deiner Freiheit eingeschränkt. Aber diese altgebahnten Routen leiten dich an Orte, zu denen zu gehen sich lohnt. Dein Geist ist einmalig, einzigartig, wie jedes Bewusstsein, auch das deines Nachbarn. Warum sich dann nicht mit ihm austauschen, mit ihm deine Welt teilen? Wäre dass nicht besser, als in dir allein zu bleiben? Das muss deine Freiheit nicht beeinträchtigen, die Wahrheit nicht verunklären.

- Du fühlst dich durch Antworten, die schon gegeben worden sind, unzulässig festgelegt. Vor-Urteile nennst du sie. Sie kommen dir zu, bevor du dich damit auseinandergesetzt hast. Sie beeinflussen dich, und du willst dich nicht beeinflussen lassen. Ist das Grund genug, sie insgesamt pauschal abzulehnen? Auch eine Vor-Reaktion. Dem, dass du in ein schon Gegebenes kommst, entgehst du nicht. Du kannst dich ihm entziehen wollen, landest aber immer in einem anderen schon Vorgegebenen. Drum: vergleiche, bring eines zum anderen, erweitere dich."

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Ohne Zweifel, dass ich ein Bewusstsein habe, ohne Zweifel auch (warum sollte ich daran zweifeln?), dass ein mir gleiches Gesicht, das Gesicht des Anderen, Gegenübers, dasselbe Bewusstsein verbirgt, in sich verschlossen, mir aber erschließbar über ein empathisches Mitgenommen werden durch die Bewegung (das bewegte, unbewegte Gesicht des Anderen), die ich ihm abspüre - doch: zeigt mir ein Tier nicht auch ein Gesicht (wenn nicht, warum nicht?), an dem ich Bewusstsein ablesen kann, zeigt es mir nicht auch ein Baum, ein Stein, der Licht- und Schattenfall zwischen sich im Wind bewegenden, belaubten Zweigen auf ähnliche Weise?
Ist die Welt nicht vielleicht doch voller Bewusstsein? So, von außen, als Rätselgesicht betrachtet? Oder ist dieses auf den Raum hinter die Stirn eines Menschenbruders, einer Menschenschwester beschränkt? - wenn nicht auf meine Stirn allein - was mich zu etwas Einzigartigem machen würde... Und warum überhaupt eingeschlossen in eine Stirn, das ist zwar die Form, in der es sich mir an mir zeigt, aber nichts an ihm selbst lässt darauf schließen, als ihm notwendig und zugrundeliegend, dass es nur so und nicht anders in Existenz treten kann.
Mein Bewusstsein - als die mir zugängliche Beispielform eines Bewusstseins - ist für mich nicht etwas hinter einer Stirn Eingeschlossenes, mein Bewusstsein ist mir ein sich in den Dingen Klärendes, zur Klarheit kommendes, sich mit ihnen Verbindendes, sich mit Anderem, nicht nur sinnlich erscheinendem, Erfüllendes. Und ist der Gedanke an überall anwesende Bewusstseinsformen wirklich so abwegig, vom Wege führend? Doch nur dann, wenn man deren Vorhandensein selbstverständlich von dem Vorhandensein von Nervenfasern und Sinnesreizungen abhängig macht, Bewusstsein als organische Leistung von Nervenmaterial definiert: Warum aber? Was zwingt mich zu dieser Annahme? Nur mein eingelerntes Vorurteil (das Paradigma heutiger biologischer Wissenschaften), nicht die Erfahrung, die ich mit dem Bewusstseinsmodus selbst mache.
Und wenn mir selbst auch kein anderes Bewusstsein, auch das meines menschlichen Gegenübers, unmittelbar zugänglich ist, ich es erfassen, umfassen kann, von Bewusstsein zu Bewusstsein, könnte es nicht sein, dass ich dennoch von einem größeren, umfassenderem aufgefasst, erkannt, aufgenommen werde - meines als Teil eines anderen, mir verschlossenem (weil ich kein Organ dafür habe), aber dem anderen offenbar, weil dort ein Sinn dafür vorhanden ist? Wenn der dämmerlichte Wald, das flirrende Sonnenlicht zwischen den Schattensilhouetten der leicht im Wind bewegten Äste und Blätter Bewusstsein hat (im welchen Sinn auch immer), hat dieses Bewusstsein vielleicht die Organe für mein eigenes Bewusstsein, die ich für seines nicht habe?
Bewusstes Sein ist für mich nach dem Beispiel, das ich mir selbst gebe, definiert - aber wie erkennte ich ein anders geartetes bewusstes Sein, wenn es mir begegnete? Sprache, Sprechen ist mir durch mein eigenes vorgezeichnet - wie könnte ich ein andersartiges Sprechen erkennen, wenn ich kein Hören dafür habe? Spricht sich überall ein kommunizierendes Bewusstsein aus - und ich bleibe in mir allein, stehe abseits, blind, taub, unempfänglich für seine Sprache, seine Zeichen, seine Gegenwart? Bin ich für das mögliche Bewusstsein um mich herum ein Signal, während es für mich selbst nur ein Grundrauschen ist, Hintergrundstrahlung, kein Erkenntnisgrund?

Die Frage: wie kommt Bewusstsein in die Welt, gilt heute als dadurch beantwortet, dass man es ab einer bestimmten Stufe der organischen Komplexität als daraus hervorgehend feststellt (auf welcher, ist noch ein wenig umstritten) - Reiz und Antwort darauf als Vorstufe, Nervenfasern und -Knoten als Voraussetzung, hochkomplexe, differenzierte Strukturen, wie etwa unser Gehirn, als Grundlage für komplexeres Denken.
Frühere Kulturen stellten diese Frage gerade umgekehrt: Wie kommt die Welt in das Bewusstsein, wie ist das sinnliche Sein aus dem Logos-Sein geworden, durch welchen Fall, durch welche Verstrickung? Keine Frage war ihnen, dass Bewusstsein etwas Ursprüngliches und Übergeordnetes ist, und man nur eine Erklärung dafür finden muss, wie es daraus zur materiellen Welt kommen konnte. Ist es einfacher, schlüssiger, die Materie aus dem Logos hervorgehen zu lassen, als es schlüssig (oder eben nicht) ist, Gedankenleben aus dem organischen Leben abzuleiten? Ist die absteigende oder die aufsteigende Leiter leichter zu beklettern, die aufwärts- oder die abwärtsführende Evolutionslehre besser zu begründen? Oder ist alles nur eine Frage des perspektivischen Standpunktes, und je nach dem Wechsel der Perspektive auf diese oder jene Art zweideutig-gültig zu beantworten?
Nur: ohne den Blick von oben, ohne den metaphysischen Standpunkt, von uns schon längst als abgetan verlassen, wird man wohl nicht von Magie, von einer Anderwelt, von Bewusstseinsstufen reden können. Ohne die Annahme eines durchgängigen, alles Existierende umfassendes Bewusstseinsprinzips, dem unser eigenes bewusstes Sein seine Existenz verdankt, werden wir es schwer haben, die Brücke zu dem Anderen zu finden, dem Rätselgesicht der Welt, das zu uns sprechen möchte und kann, wenn wir uns seinem Sprechen öffnen, uns ihm nicht verschließen, uns in uns einschließen, als Bewusstseinsinsel, in autistischer Autonomie, Selbstisoliert.


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